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Maßkleidung – Im Schnitt besser

Maßkleidung – Im Schnitt besser

Maßschneiderei und Designerkleidung waren lange Zeit Gegensätze. Das Handwerk lieferte zeitlose Klassik, der Modemacher das passende Outfit zum Zeitgeist. Da der nun aber momentan stark vom Revival alter Werte geprägt ist, nähern sich die einstigen Rivalen plötzlich aneinander an. So präsentierte sich die Savile Row unter dem Titel „The London Cut“ auf der Herrenmodemesse Pitti Uomo in Florenz. Acht „bespoke tailors“, so der englische Terminus für den Maßschneider, waren stellvertretend für ihren Berufsstand angereist, um eine Werkschau aus den vergangenen Jahrzehnten zu präsentieren, darunter Anderson & Sheppard, der Schneider des britischen Thronfolgers Prinz Charles. Umgekehrt bauen die Modedesigner seit einigen Saisons verstärkt „sartoriale“ Details in ihre Kreationen ein, was der Konfektion einen Hauch von Schneiderarbeit verleihen soll. Hier und da ein bisschen was Handgesticheltes macht aber noch nicht den Maßanzug, sein entscheidender Vorteil liegt im individuellen Schnittmuster. Und das kann Stangenware nicht bieten.

Die weltbekannte Londoner Einkaufsstraße Savile Row

Die große Zeit der Savile Row war die so genannte goldene Ära zwischen den beiden Weltkriegen. Könige, Filmschauspieler, Industrielle, Diplomaten und Staatschefs pilgerten nach London, um sich dort nach Maß einkleiden zu lassen. Das englische Königshaus war weltweites Modevorbild, der Prince of Wales galt als globaler Trendsetter und Hollywoodstars wie Fred Astaire oder Douglas Fairbanks kopierten seinen Stil akribisch. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte ein langsamer Niedergang ein, allerdings gab Großbritannien in der männlichen Garderobe weiter den Ton an. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts tat sich jedoch eine wachsende Kluft zwischen der Welt der Maßschneiderei und dem übrigen Modegeschehen auf. Exakte Bügelfalten und dreiteilige Anzüge gegen zerrissene Jeans mit Schlag und T-Shirts.

Die Boomjahre der Achtziger bescherten der Straße dann ein Revival. Die Broker der Londoner City orderten die Anzüge zum Teil gleich im Dutzend und die zahlungskräftigen US-Kunden kamen in Scharen. Seit dem ersten Golfkrieg blieb dieses Klientel jedoch immer wieder aus, jeder Terrorangriff war ein Anschlag auf die Konjunktur. Gegenwärtig sind die Immobilienpreise der britischen Metropole die größere Gefahr. Selbst kleine Ladenlokale sind kaum noch bezahlbar und so machen sich immer mehr potente Designerlabels mit ihren schicken Boutiquen breit. Oft hilft den Schneidereien nur die Vergabe von Lizenzen an asiatische Modehäuser, deren Kunden sehr erpicht sind auf Krawatten oder Konfektion mit der prestigeträchtigen Provenienz „Savile Row“.

Maßschneiderei steht für Individualität

Die Fans des Sträßleins schätzen bei den dort ansässigen Schneidern das scheinbar Unzeitgemäße, Veränderungen betrachten sie mit Skepsis. Neue Kunden kann man allerdings nur mit einem aufpolierten Image gewinnen, deshalb haben einige der Traditionsadressen ihren Empfangsräumen ein moderneres Design verpasst. Dennoch ist der Straßenname weiterhin ein Gütesiegel für höchste Qualität. In den Ateliers wird überwiegend noch nach den gleichen Methoden und wie vor 30 oder 40 Jahren verfahren. Für einen einheitlichen Stil steht die Savile Row jedoch nicht. Anderson & Sheppard ist beispielsweise für seine extrem weiche, geradezu neapolitanisch anmutende Verarbeitung bekannt, Huntsman liefert eine eher eckige Schulterlinie, während Dege seine Anzüge mit der hohen Taille des Reitsakkos zuschneidet. Aber bei der Maßschneiderei ging es ja immer schon um Individualität. Und die kann Kleidung von Stange nicht liefern. Zum Glück für die Schneider.

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Der Autor

Artikel von Stil-Papst Bernhard Roetzel, Autor des Buches „Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode“. Für den Gentleman-Blog schreibt er exklusive Kolumnen über Kleidung, Stil und Persönlichkeit eines Gentleman.

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