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Vom Schreibtisch eines Mannes

Vom Schreibtisch eines Mannes

Es gibt genau zwei geschlechterspezifische Möbelstücke. Für die Frauen die Frisierkommode, ein meist mit Fläschchen, Tübchen und Tiegelchen im Gesamtwert einer kleinen Datscha überfrachteter Arbeitsplatz der Damen, die sich langsam durch eine Sammlung an Kosmetika arbeiten, um ihren Gesicht in dem die Kommode krönenden Spiegel jeden Tag neuen Glanz zu verleihen. Ungleich wichtiger, geradezu unentbehrlich für die artgerechte Behausung eines Mannes, ist das männliche Äquivalent: der Schreibtisch.

Ich schreibe, also bin ich!

Trug man im alten Rom anno Caesar noch Wachstäfelchen und Griffel umher – was fraglos als Vorbild für das IPad zu interpretieren ist – zog sich der Schreibende nach englischem Vorbild ab dem Ende des 17. Jahrhunderts ins Innere seiner Wohnstatt zurück.

Der Schreibtisch ist für einen Mann nicht etwa nur ein Arbeitsplatz: „Jeder Schreibtisch ist zugleich Gedächtnis. Hier werden Informationen gefiltert, sortiert, eingeordnet, abgespeichert, dupliziert, abgerufen ect. Demzufolge korreliert jede Geschichte des Schreibtischs mit der Entwicklung dieser Tätigkeiten. Solange Informationen papiergebunden waren, mußten sich der Schreibtisch dem Papier beugen. Heute beugt er sich dem Computer, wobei ein eigenartiges Zwitterverhältnis herrscht: Besonders wichtige Informationen bedürfen nach wie vor der Papierablage, besonders individuelle Korrespondenz des Briefes usw. Aufgrund der Medienvielfalt muß ein heutiger Schreibtisch sehr viel flexibler sein als vor einhundert Jahren“, so Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Christian Kassung von der HU Berlin.

Ein Schreibtisch ist eine Zona Intima, geistige Werkbank, Schutzraum und heiliger Boden. Ein Spa der Phantasie, die Brücke unserer inneren Enterprise – und absolutes Sperrgebiet für nicht explizit eingeladene Menschen.

Bevor sich der Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten eines artgerechten Schreibtisches senkt, sei festgehalten, dass Schreibarbeitsplätze in einem Büro einer Unzahl von Normen unterliegen. Von dieser Last befreit ist natürlich der private, heimische Schreibtisch, um den es hier ausschließlich geht.

Sekretär

Sekretär vs. Schreibtisch

Die Dimensionen eines Schreibtisches sind letztendlich den räumlichen Gegebenheiten anzupassen, deshalb sollte man zwei Kategorien unterscheiden:

1. Sekretär – Raum ist in der kleinsten Hütte

Ein Sekretär oder auch Schreibschrank besteht aus einem Schreibtischunterteil und einem Aufsatzschrank. Das Möbel entwickelte sich aus dem Kabinettschrank und war besonders im 18. Jahrhundert sehr beliebt.

Das Basisdesign gab es in vielfältigen Gestaltungsvarianten. Die Kommode hatte in der Regel drei Schubfächer; aus Frankreich sind aber auch welche mit verschließbaren Türen und dahinter versteckten Schubladenreihen bekannt. Der Aufsatz war mit einem nach vorne ausklappbaren Pultdeckel verschlossen, der im geöffneten Zustand als Schreibplatte diente. Der Aufsatz enthielt Sortierfächer, Schubfächer und Aussparungen für Tinte, Papier, Dokumente und ähnliches. Mit der Zeit gab es im Design eine Reihe von Veränderungen, zum Beispiel Spiegeltüren über dem Mittelteil, mehr Beinfreiheit für den Benutzer, oder auch Schubladenreihen rechts und links der mittigen Aussparung des Aufsatzes.

Ursprünglich als ein kompaktes Möbel für eine Vielzahl von Bedürfnissen entwickelt, wurde die Gestaltung des Sekretärs Ende des 18. Jahrhunderts immer leichter und eleganter. Die massive Basis wich Unterteilen mit mehr oder weniger fantasievoll gestalteten Füßen und nahm immer mehr die Form eines Tisches anstatt einer Kommode an. Die Schreibplatte ließ sich herausziehen, und die darüber liegenden Fächer und Schübe verbargen sich hinter einem im Viertelkreis geführten Rolladen. Dieser Teil wie auch die sich daraus entwickelnde Art des Schreibtischs mit im Halb- oder Viertelkreis geführten Rolladen und ohne Aufsatz wurde „Zylinderbureau“ genannt. Das Zylinderbüro war nach 1760 eines der wichtigsten Möbel der Pariser Tischlerkunst.

2. Klassischer Schreibtisch – Bollwerk des Egos

An solchen Bollwerken des lebendigen Geistes entstehen Schriften, Briefe und Zeichnungen, die eben auf einem zweckentfremdeten Küchentisch niemals Momente der Inspiration erfahren würden:

Ein als Stand-Alone-Lösung konzipierter Schreibtisch, der auch als solcher erkannt werden soll, wird eine Arbeitsplatte von 170 – 200 cm in der Breite und gut 80 – 100 cm in der Tiefe aufweisen. Multipliziert man diese Werte mit der normgerechten Höhe von 72 cm, verbraucht das Epizentrum einer männlich dominierten Wohnung einen guten Anteil an Kubikmeter Raum – es lohnt sich also, sorgfältig bei der Auswahl eines solchen Stückes zu sein. Schließlich ist der Schreibtisch die Visitenkarte Ihres Arbeitszimmers.

Wofür Sie sich auch entscheiden: Ein Mann – sein Schreibtisch. Eine Allianz fürs Leben.

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Der Autor

Lars Hallatsch schreibt im Gentleman-BlogDieser Beitrag stammt aus der digitalen Feder von Lars Hallatsch. Er lebt und arbeitet als freier Journalist, Dozent und Coach bei Köln und München. Stil und Style für Herren sind dabei seine besondere Leidenschaft.

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Ein Kommentar

  1. Okt 17, 2012

    Dieses entwickelte sich nach 1760 zu einem der wichtigsten Möbelstücke der Pariser Tischlerkunst. Ähnlich dem Sekretär gab es in Frankreich auch die kleinen Bonheur du jour, Damenschreibtische. Diese hatten zwar kaum Schubladen oder Ablagen, waren aber viel feudaler und prunkvoller gearbeitet, hatten sogar teilweise Mosaikarbeiten. Anfang des 18. Jahrhunderts kam der Sekretär oder Schreibschrank nach Deutschland, überwiegend über England und die Niederlande. Viele der deutschen Möbel haben sich an englischen und niederländischen Arbeiten orientiert. Im Gegensatz zu französischen und englischen Exemplaren, die aus exotischen Edelhölzern angefertigt wurden, fertigte man die deutschen Möbel häufig aus heimischen Hölzern, wie zum Beispiel aus Furnieren aus Obstbäumen. Mit der Einführung von Dienstleistungen verblasste das Ansehen von Schreibarbeiten, infolgedessen nahm auch die Herstellung von Sekretären ab. in den 20er Jahren wurden leichtere Schreibtische gefertigt, die oft aus Stahlrohr gebildet wurden. Diese übernahmen dann die Aufgaben des Sekretärs. Heute gibt es Sekretäre nur noch als Antiquität, vor allem wegen der edlen Hölzer und der pompösen Furnierarbeiten. Seit 1970 werden Sekretäre auch wieder aufgewertet und sind heute als Antiquitäten bei Sammlern sehr gefragt.

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