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Augusta und das Masters: Grandioser Anachronismus

Augusta und das Masters: Grandioser Anachronismus

Wie im Tennis die Grand Slams, so gibt es auch im Golf vier Major-Turniere. Den Auftakt macht alljährlich in der ersten vollen April-Woche „The Masters“. Das einzige der „Big Four“ mit festem Austragungsort steckt voller Rituale und Pittoresken. Der Gentleman-Blog blättert durch Fama und Fakten.

Ein giftgrünes Sakko aus konfektioniertem Allerweltsstoff als höchstes Glücksgefühl, Golflöcher mit blümeranten Namen, eine elitäre Vereins-Clique: Das Masters im noblen Augusta National Golf Club mit all seinen Skurrilitäten ist bestens angetan, dem Außenstehenden Golf als eine Vergnüglichkeit versnobter Zeitgenossen zu bestätigen.

Amerikas feinster Platz

In einer Sportart, die sich bemüht, das flächen- und kostenintensive Gefüge mit einer breitensportlichen Ausrichtung zu vereinbaren, sind die geschlossene Gesellschaft im US-Bundesstaat Georgia und ihr Golfturnier der pure Anachronismus. Von Beginn an; seit der bescheidene und beliebte Bobby Jones, für manche der größte Golfer aller Zeiten, und der dünkelhafte New Yorker Börsianer Clifford Roberts (sic!) eine Plantagen- und Baumschul-Brache in Augusta auserkoren, um Jones‘ Vision vom idealen Golfplatz entstehen zu lassen. Als Baumeister für Amerikas feinsten Kurs heuerte das Duo übrigens den begnadeten Architekten Dr. Alister MacKenzie an, einen Schotten.

1934 wurde das erste „Augusta National Invitational“ ausgetragen. Damals schon sollte es Masters heißen, aber Jones hatte noch was zu sagen und fand den Titel zu protzig.

Limitierte Tickets und spezielle Club-Regeln

Auch wenn es längst klare Qualifikationskriterien gibt, ist das Masters ein Einladungsturnier geblieben. Der Club wahrt gern das Bild. Nach wie vor werden die 100 weltbesten Spieler förmlich zum „Tanz“ gebeten: Auf die grünsten 147 Hektar des Golf-Globus mit einer verschwenderischen Blütenpracht von Azaleen, Magnolien etc., der notfalls per Heißluftgebläse zur pünktlichen Entfaltung verholfen wird. Nur zum „Hochamt“ im April ist dieser „himmlische Platz“ (Altmeister Gary Player) dem Publikum zugänglich. Samt allerhand Verhaltensregeln und eh eingeschränkt: Die Tickets sind limitiert, einmal ergatterte Eintrittskarten werden verlängert, allenfalls vererbt. Oder auf dem Schwarzmarkt für sehr viel Geld gehandelt.

Apropos: Auch Mitglied im Augusta National Golf Club wird man ausschließlich per Einladung. Bobby Jones wandte sich noch schriftlich an handverlesene Herren. Heute erhalten die Erwählten kommentarlos ein Überweisungsformular. Die Beiträge sind nicht horrend, aber ebenso wenig offiziell publik wie die Liste der rund 300 stets begüterten und einflussreichen Mitglieder. Bill Gates ist dabei, Donald Trump neuerdings auch, und Linde-AG-CEO Wolfgang Reitzle soll seit seiner Zeit als Automobil-Manager der einzige Deutsche im Club sein.

Club pfeift auf die öffentliche Meinung

Es geht ums Prestige. Um die Zugehörigkeit zu einer Gilde Gleichgesinnter. Der Stern nannte es mal „Geheimbund“. Auf alle Fälle ist Augusta National ein Hort erzkonservativer Gesinnung. Und das Masters spült so viel in die Kasse, dass es dem Club auf eine Handvoll Dollar nicht ankommt. Nicht mal auf ein paar Millionen. Und schon gar nicht auf die öffentliche Meinung.

Als 2002 Feministinnen einen Aufstand gegen die Männer-Bastion inszenierten, brachte das die Masters-Sponsoren in arge Bedrängnis. Die Augusta-Granden nicht: Sie zogen ihren TV-Quoten-Hit in den nächsten zwei Jahren einfach ohne Werbung durch. Danach war der Krawall verraucht. 2012 wurden mit Ex-US-Außenministerin Condoleezza Rice und Finanzmaklerin Darla Moore tatsächlich die ersten Frauen aufgenommen. Eine Sensation. Nach über 80 Jahren.
Eine andere Hürde fiel „bereits“ 1990. Clifford Roberts, Präsident von 1934 bis 1976, hatte den Seinen ins Stammbuch geschrieben: „Solange ich lebe, sind bei uns die Mitglieder weiß und die Caddies schwarz.“ Der Mann starb 1977. Es dauerte noch 13 Jahre, bevor ein afro-amerikanisches Mitglied berufen wurde. Schon seit 1983 können die Masters-Teilnehmer hingegen ihre eigenen Caddies, egal welcher Pigmentierung, mitbringen. Damit diese dennoch als besondere Spezies ausgewiesen sind, verpasst der Club ihnen weiße Overalls als Überzieher. In denen sehen sie dann aus wie Tatortreiniger.

Impression vom Masters in Augusta (Foto:gomattolson)

Das wohl berühmteste Kleidungsstück des Sports

So viel ließe sich erzählen über diesen Privatclub, der sich kritische Fragen stets harsch verbittet. Über seine Golflöcher, die nach der Flora benannt wurden, die zuvor auf dem Gelände kultiviert worden war. Über all die Rituale. Über das Turnier sowieso. Wenigstens das Gewese um‘s „Green Jacket“ soll noch aufgeklärt werden:

1937 kam der Club auf die Idee, seine Vasallen in grüne Sakkos zu gewanden, auf dass sie beim Masters für auskunftheischende Zuschauer als Mitglieder erkennbar seien. Als Trophäe wird der Dreiknopf-Einreiher in Pantone 342 seit 1947 verliehen, der jeweilige Masters-Sieger damit zum Ehren-Mitglied ernannt (allerdings mit limitierten Rechten). Bis zum nächsten Turnier darf der Champion den Fummel bei dem ganzen Zirkus anziehen, der um ihn gemacht wird. Fürderhin aber wird das wohl berühmteste Kleidungsstück des Sports nur einmal im Jahr gelüftet: Wenn Augustas in Tradition und eigener Bedeutungsschwere versteifte Zeremonienmeister zu diesem grandiosen Anachronismus laden, den die Golffans als Masters lieben.

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Der Autor

Michael BascheFür den freien Journalisten und Diplom-Golfbetriebsmanager Michael F. Basche ist das altehrwürdige Spiel Golf mit all seinen Facetten eine Klammer für die vielfältigen Aspekte stilvoller Individualität. Mit seiner Dienstleistungsmarke FairGreen berät er u. a. Golfclubs in Fragen der Corporate Identity. Als Autor widmet er sich auch schreibend der gepflegten Lebensart.

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