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Männer unter sich: Ein besinnlicher Herrenabend mit Whiskey

Männer unter sich: Ein besinnlicher Herrenabend mit Whiskey

Es gibt Anlass und Gelegenheiten, an denen auch erwachsene Männer in bester Tradition altenglischer Clubs der beklagenswert unzeitgemäßen Idee anheimfallen, sich mit- und untereinander zu einem Stelldichein zu treffen, die bezaubernde Weiblichkeit außen vor zu lassen und sich dem Whisk(e)y hingeben. Gentleman-Blog Autor Lars Hallatsch traf sich zum Jahreswechsel mit zwei Freunden zum stilvollen Herrenabend und lässt uns daran teilhaben. Ein leicht vernebelter Erlebnisbericht.

Wenn Männer wieder wie Kinder sind

Zum Ausklang des Jahres verabredete ich mich mit zwei Freunden in der Smokers-Lounge eines guten und aus Wettbewerbsgründen namenlos bleibenden Hotels.

Weil wir eben sind wie die Kinder, hatten wir uns einen Dresscode aus unserer gemeinsamen Lieblingsfilmreihe entliehen; es betraten die Räume drei Mittvierziger in ebenso eleganten wie zu selten genutzten Smokings, einer von uns mit Studs geschmückt, die anderen Beiden mit schlichter verdeckter Knopfleiste am Hemd – alle innerlich feixend auf dem Weg vom Doorman zur Lounge. Sich zu verkleiden macht so eine Freunde. Wir sind Bond.

Der Eine von uns huldigt alten Traktoren, die er sich als freiberuflicher Dokumentarfilmer finanziert. Der Zweite im Bunde ist Chemiker, promovierter Marathonläufer – und überzeugter, asketischer Nihilist, dem man weltliche Genüsse fast einprügeln muss – bis er das erste Blut geleckt hat und die Askese zum Teufel jagt. Ganz normale Freunde eben. Und ich.

Whiskeys statt Frauen

Wir trafen uns also frauenfrei, weil wir uns gegenseitig unsere aktuellen Lieblings-Whiskeys zum Kosten mitbringen wollten. Und weil das Thema so schön in den Gentleman-Blog passt, habe ich sofort eine semiprofessionelle Verkostung daraus gemacht – und outete uns dabei als unglaubliche Nosing-Nobodies. Gleich zu Beginn machten wir auch Alles falsch, was die Professionalität einer Degustation ausmacht.

Selbstverständlich ist es für „die Nase“ hilfreich, die Aromen eines Getränkes in ihrer Flüchtigkeit sozusagen konzentriert unter das Riechorgan zu führen, wozu sich die nach oben verschlankenden Nosing-Gläser etabliert haben. Was aber für ein Gefühl hinterlässt der zum Nippen mit zwei Fingern (plus dem abgespreizten Kleinfinger) fest gefasste Stiel eines solchen Press-Gläschens im Gegensatz zu den schweren, unrechtfertigbar teuren und so unvergleichlich das Licht brechenden Kristalltumblern von Saint Louis oder Baccarat in der ganzen Männerhand?

Schlucken statt spucken

Auch nicht korrekt dürfte die Raumluftsituation gewesen sein. Statt reiner und neutraler Luft zog durch den Raum ein warmer, dunkler Duft von einer Lage Cohiba Maduro Genios , die wir uns zur Feier des Tages aus dem hoteleigenen Humidor gegönnt hatten, weihevoll angeschnitten und mit einem Zedernspan entzündet. Außer dem Chemiker – der hatte ein ultramodernes Dupont-Feuerzeug mit blauer Jetflame. Wenn im Paradies gepafft wird – sie nehmen vermutlich genau diese Zigarre. Aber das sei nur am Rande erwähnt.

Aber der wahrscheinlich verräterische, uns für einschlägige Fachmagazine disqualifizierende Fauxpas war, wir gestehen das zu Protokoll: Kein Schluck wurde ausgespuckt. Wir erlebten die vielbesungenen Abgänge nicht nur einmal zur Probe, sondern je Sorte mehrmals zu reinem Spaß am Genuss, zur Bewillkommnung des herrlichsten aller Räusche, zu Ehren der Brennmeister und alle paar Mal auf das Wohl unserer und aller Frauen.

Die Vorauswahl fürs Whisky-Tasting

In jedem Whiskey-Shop gibt es eine üppige Auswahl an Sorten, die – sofern man sich nicht die Speiseröhre verätzen möchte – wohl für einen Flaschenpreis von 20 Euro bis in absurde Höhen angeboten werden. Die Sortimentsbreite umfasst so gut wie überall den Bereich der Massenprodukte bis zu raren Spezialitäten, aus vieler Herren Länder. Wir wollten uns auf eine vollkommen subjektive Auswahl von Sorten konzentrieren, die zum einen für Whiskey-Liebhaber „bezahlbar“ im realen (nicht etwa philosophischen) Sinne sein sollten, zum anderen auch verfügbar für den spontanen Bedarf. Interessante Exoten, die Just-for-Cocktail-use-Sorten und die richtig Teuren ließen wir außen vor.  So standen auf dem Tisch:

  • The Macallan Sienna (ca. 80 Euro)
  • Bushmills 21 Years (ca. 120 Euro)
  • Jefferson’s Presidential Select 18 Years (ca. 100 Euro)

Wir versuchten, die verschiedenen Geschmacksnuancen, die Bestandteile des Aromas und die Gefühle beim Mundspülen und Schlucken in der Art zu beschreiben, wie es ausgewiesene Experten in ihren Blogs, Kolumnen oder sogar Büchern tun. Wir wollten „geröstestes Leder“, „nasse Kalkwände“, „erstaunlich junge Pflaume“ oder sogar „Kieselstein“ schmecken, warteten auf „fleischige“ Eindrücke oder einen „gellenden Abgang“. Allein, der Wille war nicht vom Erfolg beschienen. Wir blieben auf Wortbergen sitzen, die nicht im entferntesten Bilder entstehen ließen wie die, die wir Ihnen so gern malen wollten.

Jedenfalls standen sie nun vor uns, drei herrlich volle Flaschen im Angesicht von drei Hobbytrinkern, jede mit funkelndem, naturfarbenen Nektar, flüssiger Sonne, Ambrosium – was auch immer Ihnen an Superlativen einfällt, befüllt, neu, versiegelt, jungfräulich – und bereit, sich uns zu ergeben.

Wie die Jäger des verlorenenen Schatzes

Ich glaube, nicht nur ich fühle mich wie Indiana Jones kurz vor dem nächsten Grabraub, wenn ich eine solche Flasche sorgsam öffne, entkorke – und schnuppere. „Die Nase“, nach verbreiteter Ansicht der erste wichtige Eindruck eines Whiskeys. Persönlich finde ich die Farbe und die sich an der Füllgrenze in der Flasche sichtbar machende Viskosität der Nase noch vorgelagert, aber was weiß ich schon.

Also die Nasen: Alkohol. Dreimal Alkohol, dreimal Angst vor spontaner Selbstentzündung an den Zigarren. 40 bis 47 Prozent Spirit, so war über allen Flaschenhälsen eine Cloud von reinen, heiligen Alkoholdünsten zu erschnüffeln. Und bevor sich auch nur ein einziges Aroma-Teilchen den Nasenscheidewänden nähern konnte, entschlüpfte uns zwei Nasenträgern ein „Boh“ und „Meine Herren“. Der Chemiker hatte sich den Dunst nur zugefächelt, so, wie das Chemiker eben tun – er enthielt sich eines Kommentares. Wahrscheinlich schnüffelt er das jeden Tag.

Dann begann die Trilogie vom tieferriechendem Schnuppern, Schmecken und Schlucken. Alle probierten Alles, zwischen jedem – immer frischen – Glase wurde der Mund mit Wasser neutralisiert und wangenflatternd gespült. Es war uns ein Fest.

Nachdem jeder seine zugeordneten Notizen gemacht hatte, begannen wir übermütig mit der Blindverkostung. Der Chemiker erklärte etwas dem theoretischen Unterbau von Blind-, Doppelblind- und Placebo-Studien, wir steckten ihm knebelhalber noch eine Zigarre mit mächtigem Ringmaß in den Mund und gossen die Gläser voll, um sie dann untereinander zu tauschen. Es soll nur soviel von diesem Spiel nach Außen dringen: Nach der zweiten Runde erkannte niemand mehr seinen Favoriten, aber wir alle grunzten mit gelockerten Krawatten und im Ledergestühl flegelnd zufrieden in die Welt.

Die (subjektive) Auswertung

Hier ist das, was wir glauben, wahrgenommen zu haben:

The Macallan SIENNA

Wir rochen zuerst eine Erinnerung, nämlich die, in der jeder Junge einen Strohhalm so lange kaut, bis er irgendwie süß schmeckt, und eben nach Stroh. Es duftete nach Sherry (mittelalt), nach gut eingelegten Rum-Rosinen und Toffifee-Extrakt. Am Gaumen erkannten wir hochhängende Trauben, eher rote als weiße, Kaffee bis Espresso mit einem Splitter Bitterschokolade mit über 70 Prozent Kakaoanteil und viel Karamell. Im „Abgang“ – wir meinen damit das Herunterschlucken und nennen das ab sofort auch so – mehr gefühlt als geschmeckt fetter, reifer, goldener, beglückender Wiskey.

Was unseren Nasen z.B. verschlossen bliebt, hatten Dipl.-Olfaktoren wahrgenommen: „Einem Hinweis auf heißen Toast mit Marmite sowie eine frisch geöffnete Dose Bodenpolitur“. „Moschusseife“. Wahrscheinlich waren die Gläser nicht sauber.

Bushmills 21 Years

Eine Wucht in der Nase: Volle Minze. Aufgeschnitte Orange oder Limone, ein Hauch von Rosen. Ingesamt die Erwartung auf ein „schlankes“ Gaumenerlebnis. Von Wegen. Komplexes Aroma, Lakritz (auch schon vor dem Schlucken, dann Lakritz fast dominant), Das „Schlanke“ findet sich in der Süße, die weniger ausgeprägt scheint als im Macallan. Da war noch feuchtes, helles Holz direkt an der Schnittfläche – für mich waren es feuchte Sägespäne -, und für einen von uns „ein Geschmäckle von Marone“. Beim seeligen Herabrinnen dann wie gesagt die Breitseite Lakritz, etwas Geröstetes, und ein insgesamt sanft-süßer Nachhall ohne den lästigen Nachgeschmack von angebranntem Zucker.

Andere Trinker nannten den Bushmills eine „seidige Sensation“, mit „gutem Fluss, Balance und Grip“. Das lassen wir gern stehen. „Von der Zeit gebräuntes Leder“ konnten wir auch schmecken… aber erst nach der dritten Blindverkostung.

Jefferson’s Presidential Select 18 Years

47 Prozent Alkohol mischen sich schon in der Luftsäule im Glas mit Butterspekulatius und gebranntem Zucker, dazu nach unserem Empfinden „Heu, duftend in der Sonne“. Mehrmaliges Einatmen des Aerosols hinterließ tatsächlich einen Geschmack nach süßer Butter und, wenn man dann noch einmal riecht, nach einer namenlosen Südfrucht. Am Gaumen zunächst der Befund, ob der Mund frei ist von kleinsten Läsionen, denn in denen hätte der Jefferson´s brennende Desinfektion hinterlassen. Notiz: Alle Mundhöhlen gefühlt mit geschlossener Schleimhaut. Im Geschmack Vanillienmark, tiefdunkles Holz und Orangenschale. Jeder Schluck ist ein Herausforderung für die schwindende Objektivität, mit seinem hohen Alkohol und der Komplexität des Abgangs würde der Bourbon allein für sich verkostet schon eine Kladde füllen. In jedem Fall zum Nachtrinken empfohlen, in jedem Fall aber ohne begleitende Getränke zum Vergleich.

Epilog

Am Ende des Herrenabends  wussten wir, dass wir allesamt auf Süßes stehen, kein Rauch, kein Salz – just sweet. Die Flaschen waren nicht leer, das wäre auch würdelos und den herrlichen Stunden nicht angemessen. Der Abend endete mit drei großen Gläsern frisch gepressten Orangensaftes mit einem Schuss Zitrone, die uns der Chemiker mit Hinweis auf irgendeinen dadurch anregbaren Histaminantagonisten zum Schutz vor einem Kater spendierte.

Wir konnten mannhaft aufrecht unsere Zimmer nicht nur grob dem Stockwerk nach erinnern, sondern auch individuell finden, der freundliche Service verpackte die teilgeleerten Flaschen in einen Karton, der nach dem Frühstück beim Check-out diskret ausgehändigt wurde.

Alle Whiskeys waren offenbar von bester Qualität, wenn man daran glauben mag, das hochwertige Spirituosen auch in mittleren Mengen eben keine Beschädigungen, nicht einmal Kopfschmerzen oder pelzige Zungen hinterlassen. Vielleicht war auch der Vitaminschub zum Dessert eine gute Idee. Allein, wir fuhren mit dem Zug in unsere Heimatstädte und ließen uns an den Heimatbahnhöfen von den liebenden Frauen abholen. Dem maskierten Restalkohol keine Chance!

Ich habe noch ein paar Freunde mehr… mal schauen, was die trinken. Auf 2014!

Lesen Sie auch:
Whisky – Die Herstellung des Gentleman-Getränks
Macallan-Whiskymaker Bob Dalgarno im Interview
Aufklärungsarbeit: 7 Whisky Mythen
Zigarre Rauchen – Eine Anleitung

Der Autor

Lars Hallatsch schreibt im Gentleman-BlogDieser Beitrag stammt aus der digitalen Feder von Lars Hallatsch. Er lebt und arbeitet als freier Journalist, Dozent und Coach bei Köln und München. Stil und Style für Herren sind dabei seine besondere Leidenschaft.

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Kommentare (4)

  1. Rudi Fink
    Dez 10, 2016

    Der Artikel hat mir sehr gefallen, aber ich denke er dürfte zwei Jahre alt sein. Aber die meisten Artikel gibt es bereits nicht mehr. Ein Tipp übrigens, Irischer und amerikanischer Whiskey wird mit „e“ geschrieben, die restlichen ohne „e“ also als Whisky. Der Artikel hat mir trotzdem sehr gut gefallen.

  2. Lars Hallatsch
    Apr 13, 2014

    RICHTIG… es waren natürlich Fliegen :) Verzeihen Sie… da war wohl eine Wortfindungsstörung im Getränk

  3. James
    Apr 11, 2014

    Krawatte zum Smoking, aha…

  4. Dagny
    Jan 8, 2014

    Ach, Whisky ausspucken…. In Schottland wuerde man das sicher nicht machen.

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